Weinkenner in fünf Minuten |
Situation: Sie haben neulich bei ALDI einen billigen mazedonischen Rotwein für die Grillfete erstanden und hatten am nächsten Morgen so gut wie keine Kopfschmerzen? Glück gehabt. Aber erwähnen Sie nie im Gespräch mit Geschäftsfreunden: "Also dieser Hofer-Rotwein für 1,54 DM, der war ja sooo lecker." Man wird Sie ausstoßen, ignorieren und fürderhin keine einzige Silbe mehr mit Ihnen wechseln. Korrekt heißt das: Sie sehen also, richtig formuliert, wirkt das gleich viel weniger peinlich. Übrigens "Weinkenner", die behaupten Rebsorte, Jahrgang, Lage, Weingut, Haarfarbe des Kellermeistes etc. am Geschmack zu erkennen, lügen. Mehr als Rebsorte evtl. noch Region, geht meist nicht. Nur langjährig erfahrene Triebtrinker können ihre Erfahrung einbringen und "alte Freunde" wiedererkennen. Ebenso sind Verallgemeinerungen wie:
"Frankenwein ist immer trocken" oder "Moselwein hat mehr Säure"
normalerweise völlig an den Haaren herbeigezogen. Daran erkennt man den
Blender. Solche Menschen lassen wir gekonnt auflaufen. Klugscheißerinfos:
Das WeinglasFassen Sie Weingläser immer am Stiel an. Nichts ist peinlicher, als Fettfinger am Kelch. Wein duftet, schmeckt und sieht nett aus, das Gehör
stimulieren wir durch das Anstoßen. So werden unsere Ohren mit einem
glockenhellen "Ping" auf den Genuß eingestimmt. Gläser mit kleinem Kelch sind für Weißwein, die mit großem Kelch für Rotwein. Über die Glasqualität kann man genausoviel debattieren, wie über die des Weines. Bleikristall ist übrigens pfui, ebenso gefärbtes oder aufwendig geschliffenes Glas, weil die Weinfarbe dann nicht mehr begutachtet werden kann. Falls man Ihnen ein typisch regionales Glas, z.B. einen Römer, reicht, loben sie den erfrischend folkloristischen Ansatz. Das zeigt, dass Sie wissen, dass so ein Glas Unfug ist, aber den Wirt nicht beleidigen wollen. Solche Gläser nimmt man nur, um sich schnell und unkompliziert die Lichter auszuschießen. Eine Sektschale weisen wir pikiert zurück, nur im hohen Sektglas kann man die Perlage in ihrer vollen Schönheit bewundern. Man ist ja Ästhet. Die BestellungSollten Sie in die Lage kommen den Wein ordern zu
müssen, befolgen Sie die die Faustregel: Riesling ist die Perle des deutschen Weines, er hat eine angenehme Farbe, ein vielschichtiges Aroma, feinnervige Säure, außerdem muß man danach nicht so furzen. Bei Riesling-Bestellung erwähnen Sie: "Den
ewigen "Pinot Grigio" ( "Chardonnay" falls ihr Gegenüber
aus Italien kommt) kann man ja langsam nicht mehr sehen. Bei Bordeaux-Bestellungen: "Die "Rioja"- ( "Barolo" falls Sie zu einem Spanier sprechen ) Euphorie legt sich ja zum Glück langsam wieder." Nie einen "halbtrockenen" Wein bestellen, das ist genauso peinlich wie "rosé", außer sie wollen betont Liberalität gegenüber gewissen Sexualgewohnheiten signalisieren. Zum Essen trinkt man trockenen Wein, zum Dessert süßen, Punkt. Sollte Ihr Mitesser aus der Provence kommen ist allerdings Vorsicht mit Ressentiments gegenüber Rosé-Weinen angebracht. Rotling oder Schillerwein (Würtemberg) ist eine andere Bezeichnung für einen aus Weiß- und Rotwein gemischten "Rosé". Bestellen Sie immer einen möglichst alten Wein,
wenn es um Rotwein geht (außer sie müssen zahlen). Bestellen Sie nie offene Weine, immer eine ganze Flasche. Wenn das überhaupt geht, viele kleinere Weinstuben bekommen ihren Rebensaft nämlich in Schläuchen (s.u.) geliefert ( das ist aber kein unbedingter Qualitätsnachteil). Das Risiko bei offenen Weinen ist, dass man schon mal einen spanischen Leberkiller als lecker Rioja vorgesetzt bekommt. Schnüffeln sie am Kork, wenn sie wollen, aber seien sie sich der Tatsache bewusst, dass er in den meisten Fällen nach Kork riecht ( so isser halt) . Nur, wenn er muffelig riecht ist Vorsicht geboten, ein erster vorsichtiger Schluck bringt dann den Beweis. DekantierenDas Dekantieren des Weines, also das Umfüllen in eine Karaffe dient haupsächlich dazu, das Depot, also abgelagerte Feststoffe vom Wein zutreffen. Dazu legt man die Flasche vor dem Dekantieren einige Zeit schräg, das Depot kann sich dann am Flaschenboden sammeln. Beim Umgießen, Profis stellen dabei eine Kerze unter den Flaschenhals, stoppt man, bevor dir Brocken in die Karaffe fließen. Weißweine dekantiert man im allgemeinen nicht,
da sie weniger Feststoffe enthalten und die Oxidation durch zuviel Sauerstoff
den Geschmack eher beeinträchtigt (in Richtung Sherry).
Das EtikettLesen Sie die Jahreszahl auf dem Etikett. Das ist nicht das Verfallsdatum, sondern das Jahr der Ernte ( der Kenner sagt allerdings "Lese"). Junger Bordeaux hat in etwa den Tanningehalt von Gerberlohe. Sollte also jemand einen Wein aus dem Bordelais ordern, der weniger als 5 jahre alt ist, bestellen Sie lieber ein Pils. Oder beklagen Sie lautstark den hohen Gehalt an Polyphenolen. Die deutschen Weinetiketten sind sehr undurchsichtig. Keine Sau weiß, ob sich hinter einem "Oppenheimer Nierentritt" eine Perle der Önologie oder ein hinterhältiger Angriff auf unsere Gesundheit verbirgt. Die Lage des Weines sagt nichts über seine Qualität aus. Ob fürstliche Domäne im Reingau oder Bahndamm Nordseite aus Friesland, lassen Sie sich nicht blenden, wenn andere mit Lagenbezeichnungen um sich werfen. Was zählt, sind bei deutschen Weinen die Prädikate, unter Q.b.A. geht nix. O.b.A ist selbst allerdings noch kein Prädikat, sondern sagt nur aus, dass der Erzeuger nachweisen kann, wo seine Trauben gewachsen sind. Bei Tafel- und Landweinen ist originelle Artenvielfalt in einer Flasche durchaus keine Seltenheit. Wenn sie einmal aus einem "Bocksbeutel" einschenken müssen: Etikett nach oben, vier Finger unter die Flasche, Daumen auf die Flasche. Wein im Bocksbeutel ist übrigens mindestens Qualitätswein (Q.b.A).
Der GeschmackEs ist wissenschaftlich verbürgt, dass die wichtigsten Geschmacksinformationen über das Auge transportiert werden. Was auf dem Etikett steht, wird geglaubt. Wenn da "trocken" steht, ist der Wein trocken, auch wenn sich Zuckerkristalle im Glas absetzen. Praktisch jeder Wien geht als "halbtrocken" durch, außer er greift schon das Glas an. Wir bestellen grundsätzlich Bordeauxweine, die sind normalerweise am Wort "Chateau" auf dem Etikett zu erkennen. Im Bordelais herrscht ein relativ strenges Klassifizierungssystem, das dem Kenner ermöglicht den Wein genau einzuordnen und dem Weinbauern die Freiheit lässt, zu panschen, was das Zeug hält. Französische Weine werden in der Regel mit Zucker versetzt, dass es nur so kracht. Man nennt das dort allerdings "chaptalisieren". Bei uns ist das Chaptalisieren nur bei Weinen ohne Prädikat erlaubt. In eine Spätlese darf also kein Zucker rein. Ein echter Bordeaux besteht aus ca. 3 verschiedenen Weinen, die assembliert werden. Dadurch befinden sich soviele Aromen in dem Stoff, dass man mit seiner Geschmackseinschätzung nie völlig daneben liegen kann. Gut klingen immer: Cassis (schwarze Johannisbeere), Zimt, Vanille, Zigarrenkistenholz, Kaffeebohne; aber so ziemlich jede Geschmacksrichtung, die Sie auch von der Eisbude kennen, können Sie nennen (Vorsicht mit "Stracciatella"). Wenn sie nicht die Flasche gesehen haben beschweren Sie sich nicht über den korkigen Geschmack, der Wein könnte aus einem Schlauch abgefüllt sein (PVC-Behälter mit integriertem Zapfhahn) nichts ist peinlicher wenn der Kellner den Besserwisser korrigiert (schon selbst miterlebt, ehrlich). Sprechen sie nie vom Geschmack, sondern vom Bukett oder von den Aromen. Es gibt primäre, sekundäre und tertiäre Aromen. Am schönsten sind die postfermentativen Aromen, also diejenigen, die durch die Lagerung entstehen. Obacht: Wenn Sie sich darauf beziehen sollte nicht 2001 auf dem Etikett stehen. Riesling sollte kalt, Rotwein bei Zimmertemperatur getrunken werden. Zimmertemperatur bedeutet nicht 22° Celsius, sondern 18° C. Früher waren die Menschen nicht so verweichlicht wie wir heute. |