Kritik des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Österreichs wegen angeblicher fehlender Barrierefreiheit des neuen Pfandsystems nicht nachvollziehbar.
In den letzten Tagen erschienen in den Medien, darunter auch im ORF und im Newsletter Donaukurier Berichte des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Österreichs (BSVÖ) über eine angebliche mangelnde Barrierefreiheit des neuem Pfandsystems für Blinde und Sehbehinderte.
Jedenfalls werden in diesen Berichten die Blinden und Sehbehinderten wieder als die armen und hilflosen „Hascherln“ dargestellt. Denen man nichts zutraut.
Am 1. Jänner 2025 wurde in Österreich das Pfandsystem für Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoff und Metall eingeführt. Die Verordnung des Klimaschutzministeriums regelt alle Details.
Da die Rückgabeautomaten nicht erst in der Nacht vom 31.12.2024 auf dem 01.01.2025 aufgebaut und aufgestellt wurden, sondern schon lange vorher in Betrieb waren hatten alle die Möglichkeit sich schon vorher über deren Funktion und Bedienbarkeit zu informieren.
Ich habe das getan und einen entsprechenden Erfahrungsbericht für Blinde und Sehbehinderte bereits am 26.12.2024 in entsprechenden Mailinglisten, unter anderem auch im Donaukurier verteilt.
Hier ist dieser Bericht nachzulesen:
Link zum Erfahrungsbericht bezüglich der Rückgabeautomaten für das Pfandgebinde: https://hojas.co.at/blog/oesterreich-am-1-jaenner-startet-das-pfandsystem-ein-erfahrungsbericht-mit-den-rueckgabeautomaten/
Für mich als betroffene Person stellt dieses Pfandsystem und die Rückgabeautomaten für das Pfandgebinde keine Barrieren da.
Laut BSV´Ö (Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich) sind hier aber nur Barrieren für seine Mitglieder zu erkennen. Was aber für mich als ein sehr mobiler, selbstbewusster und selbstständiger Blinder nicht nachvollziehbar ist.
Einer der Kritikpunkte des BSVÖ am Pfandsystem sind die angeblich nicht barrierefreien Rückgabeautomaten. Die sollen nur per Touchscreen bedienbar sein. Was für Blinde und Sehbehinderte logischerweise ein „no go“ ist;
Wie bereits erwähnt habe ich einige dieser Rückgabeautomaten schon im Dezember 2024 ausprobiert und auch genau beschrieben wie die Automaten funktionieren und aufgebaut sind. Das hat sich bis heute in Linz nicht geändert. Weiters gehe ich davon aus, dass die Rückgabeautomaten im Osten und Westen Österreichs genau so funktionieren wie im Rest Österreichs.
Das man die Rückgabeautomaten mit Touchscreens bedienen muss sind für mich reine Fakenews. Die Touchscreens oder sonstige Tasten am Automaten sind für die Rückgabe und besonders für Blinde und Sehbehinderte überhaupt nicht relevant. Die Touchscreens haben auch keine relevanten Informationen parat.
Eine Bedienung über Touchscreen bei der Flaschenpfandrückgabe wäre ziemlich sinnlos Schließlich müssten hier die Kunden in verschiedenen Sprachen informiert werden. Hier würden aber die Analphabeten aufschreien.
Als Blinde oder Sehbehinderte Person brauche ich nur mein Pfandgebinde einwerfen und warten. Pfandgebinde ohne Kennzeichnung wird nicht angenommen und ich kann dieses Gebinde ohne Gefahr wieder entnehmen. Wenn einige Sekunden kein Pfandgebinde eingeworfen wird, wird automatisch ein Kassenbon ausgeworfen. Man hört auch genau wo das passiert. Ich brauche überhaupt nichts angreifen oder eine Taste betätigen. Es passiert alles automatisch. Also für Blinde und Sehbehinderte barrierefrei. Man braucht nur mehr den Bon herausziehen.
Am Touchscreen könnte man den Auswurf des Kassenbeleges beschleunigen. Oder bei Lidl aussuchen ob man dieses Geld spenden will.
Ich habe in Linz bei BILLA, Lidl, Hofer und Eurospar diese Automaten ausprobiert und entsprechende Videos erstellt. Die Automaten sind bei allen 4 Geschäften identisch und funktionieren genau gleich. Bei Lidl dauert der Auswurf des Kassenbeleges etwas länger.
Man sieht, dass alles ohne Berühren des Touchscreens funktioniert und auch der Kassenbeleg automatisch ausgeworfen wird. Jedenfalls frage ich mich wie hier ein BSVÖ die Barrierefreiheit dieser Automaten getestet hat?
Die Geschäfte waren :
Eurospar in der Saporoshjestraße;
Hofer in der Saporoshjestraße;
Lidl am Schillerplatz;
Mein Stamm-BILLLA im Ennsfeld;;
Video Pfandflaschenrückgabe bei Eurospar in Linz (Saporoshjestraße): https://www.youtube.com/watch?v=Dk2CBJQbkTM
Video Pfandflaschenrückgabe bei Lidl in Linz (Schillerplatz): https://www.youtube.com/watch?v=xrwHwdTAtfQ
Video Pfandflaschenrückgabe bei Hofer in Linz (Saporoshjestraße): https://www.youtube.com/watch?v=sGIUIAsFO8Y
Video Pfandflaschenrückgabe bei BILLA im Ennsfeld in Linz:
https://www.youtube.com/watch?v=yeuYO9keA3Q
Wie die Situation in den „nicht österreichischen“ Geschäften ist, kann ich nicht sagen. Da ich aber diese Menschen als sehr nett, freundlich und hilfsbereit kenne wird es auch dort keine Probleme bei der Pfandrückgabe geben.
Die Pfandgebinde sind für Blinde und Sehbehinderte als solches nicht erkennbar da sie keine taktile Kennzeichnung aufweisen:
Das Pfandlogo hat keine Prägung und ist somit nicht tastbar. Während der Übergangsfrist wo zeitgleich alte und neue Verpackungen mit Pfand in den Regalen stehen wird es daher möglicherweise notwendig sein, sehende Menschen zu Fragen, ob es ein Pfandgebinde ist oder nicht. Nach Ablauf der Übergangsfrist werden alle Pet-Flaschen und Getränkedosen mit Pfand sein.
In meinen Stammgeschäften werde ich auf ein Pfandlogo auf einer Flasche oder Dose aufmerksam gemacht wenn ich es im Einkauf dabei habe. Ansonsten frage ich immer bei der Kasse. Bei manchen Pfandflaschen weiß ich in der Zwischenzeit, dass sie nur mehr mit Pfand erhältlich sind. Das Personal an der Kassa braucht nur auf dem Monitor zu schauen um sofort zu sehen welche meiner gekauften Getränke mit Pfand sind.
Und was sehr wichtig ist, ich habe einen Mund zum Fragen! Deshalb brauchen Blinde und Sehbehinderte nicht immer irgendwelche taktilen Kennzeichnungen. Die die Produkte übrigens weiter verteuern würden.
Ebenfalls ist für mich der ausgeworfene Beleg beim Rückgabeautomaten keine Barriere. Schließlich kann ich auch hier an der Kassa fragen oder ich kann mir diese Belege per App z. B. Seeing AI vorlesen lassen. Das stellt auch für Blinde und Sehbehinderte kein Problem dar.
Es ist auch sonst kein Kassabon für Blinde und Sehbehinderte ohne fremde oder technische Hilfe lesbar. Auch kein Kassabeleg im Kino oder im Möbelhaus hat entsprechende Erkennungsmerkmale. Man denke auch an die Rezepte beim Doktor. Auch die sind ohne Hilfe nicht lesbar. . Blinde und Sehbehinderte haben auch kein Problem mit ihren Lottoscheinen in die Trafik zu laufen und dort nachzufragen ob am Lottoschein eventuell ein Gewinn aufscheint.
Es liegt schon in der Eigenverantwortung jeder selbstbestimmten Person auch mit neuen Herausforderungen umgehen zu lernen. Dazu gehört nun auch, dass ich jetzt meine Flaschen nicht mehr so wegwerfe, sondern ich mir zu Hause ein entsprechendes System zurechtlege. Und bei den Bons kann man fragen oder man hat die Unterstützung durch die Technik-
Da ich sehr viele Blinde und Sehbehinderte mit ihren Lebensgewohnheiten kenne, weiß ich , dass sie mit einer Einkaufshilfe unterwegs sind und für sie dieses Problem der Rückgabe eines Pfandgebindes gar nicht stellt.
Ebenso gibt es auch sehr viele Blinde und Sehbehinderte die ein sehr großes Problem mit der Mobilität haben. Auch die wird man am Rückgabeautomaten ohne Begleitung nicht antreffen.
Ebenso ist für mich noch immer ein sehr wichtiger Punkt im Leben, dass zwischen „können können“ und „können wollen“ ein sehr großer Unterschied besteht. Weiters sollte man auch immer bedenken dass nicht „Jeder das Gleiche“ sondern „Jeder das Seine“ bekommt.
Ich persönlich bin als blinde Person mit dieser Entwicklung zufrieden und komme sehr gut damit zu recht. Das größere Problem ist eher das Auffinden der Rückgabeautomaten.
Meine Kritik an den Blindenverbänden:
Obwohl schon sehr lange bekannt war, dass ein Pfandsystem in Österreich kommt, haben die Verbände anscheinend nicht darauf reagiert. Diese Automaten sind nicht erst seit dem 01. Jänner im Betrieb.
Weiters fehlt es hier an der entsprechenden Recherche. Wäre sehr interessant zu erfahren wie hier der BSVÖ zu seinen Erfahrungswerten bezüglich der mangelnden Barrierefreiheit der Rückgabeautomaten gekommen ist. Wenn man nur per Telefon oder per Mail die Infos bekommt sollte man schon auch selbst einmal nachsehen und Hand anlegen. Ich persönlich verlasse mich auf niemanden!
Warum habe ich bereits im Dezember darüber informiert und die Automaten getestet?
Die Blindenverbände hätten bereits im Vorfeld entsprechende Infos und Praxiserfahrungen an ihre Mitglieder weitergeben können. Ebenfalls hätten sie entsprechende Erklärvideos erstellen können. Das kann ich als Einzelperson auch Amateurhaft. Was machen denn deren Jugendgruppen den so?
Es wäre die Aufgabe der Blindenverbände ihren Mitgliedern das System „Pfandflaschenrückgabe“ vor Ort bei den Automaten zu erklären. LPF nennt man doch so etwas?
Aber das ist nun mal typisch Österreich. Ich persönlich habe aber eine eigene Vorstellung von einer professionellen Vereinsarbeit.
Jedenfalls haben für mich aber die Kleinwüchsigen und die Menschen im Rollstuhl diesmal den schwarzen Peter gezogen. Schließlich ist der Einwurf für die Flaschen und Dosen doch sehr weit oben. Aber einige mir bekannte Menschen im Rollstuhl haben auch hier ihre persönlichen Lösungen gefunden. Also, Jedem das Seine!
Deshalb kann man niemals solche großen Entwicklungen und Investitionen für alle gleich machen. Anscheinend funktioniert hier das „Design for all“ oder „Universaldesign“ oder auch „Inklusivdesign“ noch nicht!
Es soll auch niemand sagen müssen: „In deiner blinden Welt bin ich der Behinderte“!
© März 2025 by Gerhard Hojas / Linz