Im Jahr 2016 war ich für freiraum-europa auf der internationalen Funkausstellung IFA in Berlin. Damals war ich auf der Suche nach Haushaltsgeräten, die für Blinde und Sehbehinderte zu bedienen sind.
Von der Hochleistungswaschmaschine bis zum intelligenten Kühlschrank; Auf der IFA war alles vorhanden. Die Grenze vom Nutzen zur technischen Spielerei war und ist manchmal fließend. Die Industrie zeigte, dass Geschirrspüler und Herde, Kühlschränke und Wäschetrockner noch sparsamer, schneller, leistungsfähiger und einfacher zu bedienen sind. Doch etwa 1,2 Millionen Menschen in Deutschland oder etwa 320.000 Menschen in Österreich können davon nicht profitieren. So viele Blinde und Sehbehinderte gibt es nämlich, und die haben mit vielen Produkten massive Schwierigkeiten.
Die fortschreitende Digitalisierung elektronischer Geräte, umfangreiche Funktionspakete und der zunehmende Einsatz von Touchscreens schaffen Barrieren, denn sie erfordern in zunehmendem Maße visuelle Kontrolle. Die Bedienbarkeit von z. B. Waschmaschinen, TV-Geräten und Herden in privaten Haushalten ist aber eine Grundvoraussetzung für die selbstbestimmte Alltagsbewältigung.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO) organisierte auf der IFA 2016 eine Sonderausstellung sowie eine Fachveranstaltung zum Thema „Nutzbarkeit und Barrierefreiheit von Haushalts- und Unterhaltungselektronik“.
Die Produktpalette reichte von aufklebbaren Folien in Brailleschrift für einen Backofen mit Drehreglern von Küppersbuschüber Saugrobotern mit einer Steuerung mit einer App bis hin zu einer Waschmaschine von Miele mit einen optimalen Drehregler und einen Touchscreen mit akustischer Ausgabe. Er wurde von einer blinden Mitarbeiterin von Miele mitentwickelt und wird von ihr noch ständig weiter verbessert. Diese Waschmaschine kam 2017 auf dem Markt.
Weiters gab es noch die Fernseher von Samsung und Panasonic mit einer Menüführung mit Sprachausgabe. Das alles ist heute bei den meisten Anbietern schon Standard.
Zu bemerken war, dass die Firmen verschiedene Zugänge zum Thema „barrierefrei“ einschlagen. DeLonghi hat vor einigen Jahren Kaffeeautomaten für Blinde mit Brailleschrift ausgestattet. Ist von dieser Produktpalette aber wieder abgekommen, weil der Markt nicht vorhanden war oder ist. Und ist wieder auf Drehregler und taktile Tasten umgestiegen. Man sah hier wieder die unterschiedlichen Unternehmensphilosophien.
2016 war schon einmal ein Anfang, dass sich viele Unternehmen Gedanken darüber machen ob ihre Produkte auch von allen bedient und benutzt werden können oder ob bestimmte Gruppen von der Benützung solcher Geräte von vornherein schon ausgeschlossen werden.
Am Mittwoch, 12.04.2023 trafen wir in Linz eben auf genau diese Waschmaschine von Miele mit akustischer Unterstützung für Blinde und Sehbehinderte. .Die Waschmaschine Miele WDD 131 und kostet Euro 1249,–. Wenn man die Tür anders Angeschlagen haben will, kostet das Euro 129,– extra.
An diesem Tag besuchten wir im Rahmen des Info-Forums der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs am Standort Linz die Haushaltsabteilung im Mediamarkt in der Linzer Landstraße. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mediamarkt haben im Vorfeld unseres Besuches schon professionelle Vorarbeit geleistet und diese Waschmaschine herangeschafft. Sowie weitere Artikel mit Sprachausgabe, wie Personenwage oder das sprechende Blutdruckmessgerät von Beurer.
Jedenfalls konnten wir diese Waschmaschine auf Herz und Nieren prüfen. Diese Waschmaschine können auch alle anderen kennenlernen. Sie bleibt in der Mediamarktfiliale in der Landstraße stehen.
Da die Palette von Waschmaschinen sehr groß ist, konnten wir auch die Unterschiede bei den einzelnen Modellen feststellen. Wichtig bei solchen Geräten ist ein guter Drehregler mit einer gut ertastbaren Markierung am Regler und einrastbarer Programme.
Ein weiterer Punkt waren die Elektroherde. Die meisten der ausgestellten E-Herde sind mit Drehreglern ausgestattet. Die Drehregler waren alle versenkbar, was für Blinde und sehbehinderte wichtig ist. So kann man nicht unabsichtlich eine Platte einschalten. Aber auch hier gibt es Unterschiede. Es gibt Herde, bei denen sich die Drehregler in jeder Position hineindrücken lassen und andere nur, wenn sie ausgeschaltet sind. Hier merkt man sofort, ob irgendetwas eingeschaltet ist. Dazu kommt der Unterschied Herd mit Ceramfeld oder mit Induktionsfeld. Menschen mit einem Herzschrittmacher sollten auf Induktionsherde verzichten.
Ebenfalls ein wichtiger Punkt ist das Öffnen des Backrohrs. Soll es die Tür zum Aufklappen sein oder ein Wagen zum Herausziehen. Hier geht es um das Backblech. Beim Wagen muß ich das Backblech in einer bestimmten Position einhängen. Was für eine Blinde oder Sehbehinderte Person nur schwer möglich ist. Und bei bereits vorgewärmten Backrohr und mit Handschuhen kaum möglich ist. Auch hier sollte man beim Kauf öfters bei Elektromärkten vorbeischauen und die Elektrogeräte durchtesten. Für das sind sie ja gedacht. Es gibt auch kombinierte Herde mit Strom und Gas.Die alten E-Herde mit den hervorstehenden Herdplatten gibt es so nicht mehr. Ausser bei den externen Kochplatten. Hier konnte man früher schmerzhaft feststellen, dass die kalte Herdplatte genauso aussieht als die Heiße. Und ich weiß jetzt, für was das längliche Ceramfeld einen Sinn Hat. Zum Fisch braten.
Bei den Kaffeevollautomaten gibt es keine große Auswahl die für Blinde und Sehbehinderte gut bedienbar wären. Eigentlich gibt es nur die De’Longhi Magnifica S ECAM 22.110. De’Longhi hat sein Konzept von 2016 beibehalten und verkauft noch Kaffeemaschinen mit gut fühlbaren Knöpfen und Drehreglern. Dieser Kaffeevollautomat ist auch sonst leicht zu bedienen. Diese Maschine gibt es auch in weiß. Ich habe aber 3 Wochen darauf warten müssen. Ansonsten bleiben noch die Filtermaschinen oder die Kapselmaschinen.
Für diese De’Longhi-Kaffeemaschnie gibt es auch eine Schablone von der Firma Feelware in Deutschland. Sie ist auch bei VIDEBIS erhältlich. Die Schablone hat die Funktion, die Tasten besser erfühlen zu können. Es gibt auch blinde und Sehbehinderte Menschen, die ein eingeschränktes Tastgefühl haben. Ausserdem gibt es Menschen, die ein begrenztes Feld zum Greifen haben. Auch hier können Schablonen helfen. So wurden für diese Personen Computertastaturen entwickelt, die nur Postkartengröße haben und mit einem Griffel bedient werden.
Auch bei den Mikrowellen gibt es große Unterschiede bei der Bedienung. Dazu kommt das Fassungsvermögen und ob die Mikrowelle eingebaut wird. Wichtig ist die Bedienung und da reichen 2 gut einrastbare Drehregler vollkommen aus. Ein Regler für die Wattanzahl und ein Regler für die Zeit mit einer Klingel. Es gibt auch Mikrowellen mit Sprachausgabe oder mit einer App zu bedienen. Hier heißt es dann natürlich tiefer in die Tasche zu greifen.
Dann ging es zu den Saug- und Wischrobotern. Auch diese Geräte können eine große Hilfe für Blinde und Sehbehinderte Menschen sein. Schließlich können sie größtenteils die Bodenreinigung übernehmen. Und die Bedienung ist mit Hilfe von Apps oder der Alexa auch keine große Hexerei. Und sie bieten eine tolle Mitfahrgelegenheit für Katzen.
In der Unterhaltungsabteilung wurde uns stellvertretend ein Samsung-Fernseher mit Sprachausgabe vorgestellt. Hier ist die Menüführung mit Sprachausgabe und ich kann als #blinde und Sehbehinderte Person den Fernseher ohne fremde Hilfe steuern und bedienen. Dementsprechend habe ich auch verschiedene Fernbedienungen zur Auswahl. Mit Nutzung der Sprachausgabe braucht man nicht so viele Tasten auf der Fernbedienung. In der Zwischenzeit sind alle Samsung-Fernseher mit einer Sprachausgabe erhältlich. Man muss sie beim Aufstellen und einrichten des Fernsehgerätes nur aktivieren. Ebenso sind auch die Fernseher von Panasonic und LG mit Sprachausgabe ausgerüstet.
Hinweis: Die Sprachausgabe beim Fernseher und die Audiodeskription (akustische Bildbeschreibung) sind 2 verschiedene Systeme und haben miteinander nichts zu tun.!
Man soll sich schon überlegen, ob alle Haushaltsgeräte mit einer Sprachausgabe ausgestattet sein müssen oder ob gut fühlbare Tasten und Drehregler nicht besser sind. Ich brauche einen Kühlschrank, der ein akustisches Signal gibt, wenn ich ihn nicht richtig geschlossen habe und keinen, der bei offener Tür eine Ansprache hält.
Es sollte ein „Design for all“ sein, damit niemand sagen muss: „In Deiner Welt bin ICH der Behinderte“.
Wir bedanken uns bei der Leitung vom Mediamarkt und ganz besonders bei den Miterbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre Vorbereitung und das sie die unterschiedlichen Geräte herangeschafft haben. Und sie freuen sich über alle blinden und Sehbehinderten Personen, die bei ihnen vorbeischauen und sich beraten lassen.
Auch die Firma feelware in Deutschland rüstet Haushaltsgeräte für blinde und Sehbehinderte Menschen aus und nach. So hat auch VIDEBIS einige Artikel von feelware im Programm..
Link zu feelware: https://feelware.eu/de/collections/hilfsmittel-blind-kochen
Weiters ist in der Öffentlichkeit schon bemerkbar, dass freiraum-europa und die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs ein „Teil der Lösung“ für die Blinden und Sehbehinderten in Oberösterreich und ganz besonders in Linz sind.
Eine Nachbesprechung des informativen Abends fand übrigens über den Dächern von Linz im Skygarden statt.
© April 2023 by Gerhard Hojas