Dieses Schreiben der Peer-Gruppe „Bestimmt Selbstbestimmt!“ *) ergeht per Mail an:
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Mag. Stelzer!
Sehr geehrte Frau Landesrätin Gerstorfer!
Sehr geehrte Frau Landeshauptmann-Stellvertraterin Magistra Haberlander!
Sehr geehrter Herr Mag. Hochgerner, Abteilung Gesundheit des Landes OÖ!
Laut den Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums sind Personen mit Vorerkrankungen und besonders hohem Risiko und deren engste Kontaktpersonen unter „2. Priorität Hoch“ gereiht. Das Alter spielt in diesen Fällen keine Rolle.
Zu den „Menschen mit Vorerkrankungen mit erhöhtem Risiko“, gehören laut Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auch Personen mit intellektuellen Behinderungen außerhalb von Betreuungseinrichtungen und Personen mit körperlichen Behinderungen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 zur Folge haben und sofern eine Impfung möglich/zugelassen ist.
Die Impfung ist in allen Fällen freiwillig.
(Quelle sinngemäß: https://www.sozialministerium.at/Corona-Schutzimpfung/Corona-Schutzimpfung—Durchfuehrung-und-Organisation.html)
Bisher fanden wir auf der Homepage des Landes OÖ aber lediglich den Hinweis, dass folgende Zielgruppen bei der Impfung gegen Covid-19 priorisiert werden:
- Bewohnerinnen und Bewohner von Alten-, Pflege- und Seniorenwohnheimen
- Personal in Alten-, Pflege- und Seniorenwohnheimen mit und ohne Kontakt zu den Bewohnerinnen und Bewohnern und Personen mit einer regelmäßigen Tätigkeit oder regelmäßigem Aufenthalt in Alten-, Pflege- und Seniorenwohnheimen
- Personal im Gesundheitsbereich der Kategorie I (z.B. Krankenhauspersonal auf Covid-Abteilungen)
- Personen im Alter von > 80 Jahren (sofern Impfung möglich/zugelassen), weil das steigende Lebensalter den wichtigsten Risikofaktor für eine schwer verlaufende Covid-19 Infektion darstellt
Wie wird das Land OÖ nun gewährleisten, dass die Empfehlung des Nationalen Impfgremiums bezüglich der Impf-Priorisierung von Menschen mit Behinderung außerhalb von Einrichtungen eingehalten werden kann?
Derzeit kann man sich im Internet unter https://www.land-oberoesterreich.gv.at/files/covid19impfung/#/registrierung
lediglich für eine Impfung registrieren lassen. Die Registrierung ist keine konkrete Anmeldung zu einer Impfung.
Die Registrierung enthält außer dem Geburtsdatum keine Möglichkeit zu weiteren Angaben, wie z.B. einer Behinderung oder die Unterstützung behinderter Menschen durch Persönliche Assistenz und/oder pflegende Angehörige. Nicht einmal ein etwaiger Pflegegeldbezug kann erfasst werden, der ansatzweise auf das Ausmaß einer Behinderung hinweisen kann.
Es stellt sich deshalb für uns die Frage, wie in diesem Fall dann eine Zuteilung zu einem Termin gemäß der Priorisierungsempfehlung des Nationalen Impfgremiums erfolgen kann?
Wir ersuchen Sie im Interesse vieler Menschen mit Behinderung in OÖ um rasche Aufklärung und Stellungnahme zu der wichtigen Frage, wie die zu priorisierenden Menschen mit Behinderung nun so schnell wie möglich zu einer Impfung kommen können.
Nicht nur Menschen mit Behinderung in Einrichtungen und das dortige Personal soll rasch geimpft werden, sondern auch pflegebedürftige und auf Unterstützung im Alltag angewiesene Menschen mit Behinderung außerhalb von Einrichtungen sind in vielen Fällen einem erhöhten Risiko ausgesetzt, schwer an Covid-19 zu erkranken. Auch sie und ihr Umfeld (pflegende Angehörige, Eltern behinderter Kinder) soll so rasch wie möglich eine Impfung erhalten können.
In den Ausschreibungen ist immer nur von körperbehinderten Menschen die Rede.
Wir gehen davon aus, dass hier selbstverständlich auch sinnesbehinderte (blinde, sehbehinderte und taubblinde) Menschen einbezogen sind.
Bei Blindheit z.B. sind die Möglichkeiten stark eingeschränkt, durch Abstand halten die Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Aber auch mit eingeschränktem Sehvermögen kann man generell Abstände weniger gut einschätzen und nicht schnell reagieren, wenn einem andere Menschen näher kommen. Viele Betroffene sind darauf angewiesen, unterwegs geführt zu werden und zwar längst nicht immer durch Angehörige des eigenen Haushaltes, sondern durch Assistenzkräfte oder auch spontan durch fremde PassantInnen. Auch beim Einkaufen ist meist Nähe zum Verkaufspersonal nötig, um nach Produkten zu fragen oder sich beim Bezahlvorgang helfen zu lassen. Zudem sind blinde und sehbehinderte Menschen auf die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln festgelegt und auch damit oft mit anderen Menschen in engem Kontakt. Auch sie zählen daher unserer Meinung als gefährdete Zielgruppe, für eine ehest mögliche Impfung gegen Covid -19. Hinzu kommt, dass die große Mehrheit der blinden und sehbehinderten Menschen in Österreich im SeniorInnenalter sind und damit auch ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben.
Abschließend wollen wir noch an Sie als Verantwortliche appellieren, dass die Impfzentren barrierefrei zugänglich und mit dem öffentlichen Personennahverkehr erreichbar sein müssen. Darüber hinaus soll es aber auch noch mobile Impfmöglichkeiten für Menschen geben, die bettlägerig, schwer krank oder stark in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Bemühungen. Wir sehen Ihrer baldigen Stellungnahme mit großem Interesse entgegen.
Freundliche Grüße
Brigitte Moosbrugger
Gerhard Hojas
im Namen aller Mitglieder der Peer-Gruppe „Bestimmt Selbstbestimmt!“
*) Hintergrund-Informationen: Die Gruppe „Bestimmt Selbstbestimmt!“ ist eine Selbstvertretungsgruppe von und für Menschen mit verschiedensten Behinderung und/oder chronischen Erkrankungen. Wir fühlen uns der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung zugehörig. Der persönliche Austausch steht bei uns im Vordergrund.
Wir lernen voneinander und unterstützen uns gegenseitig (Peer-Methode).
Darüber hinaus setzen wir uns als Expertinnen und Experten in eigener Sache für Belange ein, die uns betreffen, mit dem Ziel, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt, chancengleich und nichtbehinderten Menschen gleichgestellt im vollen Umfang am Leben und in der Gesellschaft teilhaben können.